Wie wurde aus dem Wolf ein Hund?

Die Domestizierung des Wolfes – vom Wolf zum Hund

Hunde sind schon lange keine Wölfe mehr. Aber wie und wann verlief die Domestizierung des Wolfes? Die geografische und zeitliche Herkunft des Canis lupus familiaris, auch bekannt als Haushund, ist nach wie vor ein diskutiertes Thema in der Wissenschaft. Auch wenn genetische Analysen darauf hindeuten, dass die ältesten Fossilien, die ähnlichen Merkmalen von Hunden entsprechen, vor über 30.000 Jahren in Europa und Sibirien gefunden wurden, könnte der Domestikationsprozess in Ostasien hingegen erst vor etwa 15.000 Jahren begonnen haben.1

Neueste Studien zeigen auch, dass bisher noch keine ursprüngliche Wolfspopulation ausfindig gemacht werden konnte, aus der sich der heutige Hund entwickelt haben könnte. Somit ist nach wie vor eine konkrete Abstammungsgeschichte nicht rekonstruierbar.2 Unabhängig von der ursprünglichen regionalen und zeitlichen Herkunft der Hunde lassen diverse Forschungsergebnisse jedoch schlussfolgern, dass die Entwicklung der Haushunde der Höhepunkt des Prozesses der Domestizierung des Wolfes ist, der in der Zeit der Jäger und Sammler begann.1 Durch einen sehr komplexen und aktuell noch wenig verstandenen Prozess entstanden im Laufe der Zeit aus den wilden Wölfen Primärhunde als erste menschliche Begleiter. 

Wie wurde aus dem Wolf ein Hund?

Zu den konkreten Anfängen der Domestizierung des Wolfes gibt es verschieden Theorien:3

  • So könnten Wolfspopulationen zunächst von den Abfällen angezogen worden sein, die die Menschen übrig gelassen hatten. Von dieser Nahrungsquelle profitierten diejenigen Wölfe, die am wenigsten Angst vor Menschen hatten und sich ihnen anschlossen.
  • Im Gegensatz dazu gehen andere Theorien davon aus, dass die Mensch-Wolf-Interaktionen damit begannen, dass Menschen junge Wölfe einfingen und aufzogen, sodass diese von Beginn an gezähmt wurden. Die Forscher vermuten, dass sich dadurch Wölfe und Menschen näher gekommen sind und sie sich irgendwann nicht nur den Platz am Feuer teilten, sondern auch gemeinsam im Haus lebten.
  • Zudem gibt es aber auch Ansätze, die vermuten lassen, dass Menschen und Wölfe mit der Zeit eine symbiotische Beziehung eingegangen sind. Sie bemerkten, dass sie voneinander profitieren können. So verbündeten sie sich möglicherweise miteinander, um gemeinsam auf die Jagd zu gehen, da es in dieser Symbiose einfacher war, große Pflanzenfresser zu erlegen. Im Übrigen ist solch ein Zusammenschluss zwischen verschiedenen Spezies nicht unüblich: So haben sich Wölfe und Raben zusammengetan und sind selbst heute noch bei der gemeinsamen Jagd zu beobachten. Sie pflegen enge Beziehungen und leben in einer festen Sozialgemeinschaft.

Anfänge der Domestizierung des Wolfes

Mit der Zeit sollen diejenigen Wölfe gezähmt worden sein, die am meisten mit den Menschen in Kommunikation und Interaktion getreten sind. Sie waren dem sozialen Lernen vom Menschen nicht abgeneigt.4 Unabhängig davon, welche konkrete Theorie letztendlich zutrifft: Es ist davon auszugehen, dass sich zunächst nicht domestizierte Wölfe freiwillig oder unfreiwillig in einer vom Menschen stark beeinflussten Umgebung niedergelassen haben und damit der Domestikationsprozess begann. Dass Menschen zu diesem Zeitpunkt zukünftige Stadien der Domestikation des Wolfes vorhersahen oder aktiv planten, wie dies bei nachfolgenden Generationen von Hundezüchtern der Fall war, war hingegen höchst unwahrscheinlich.3

Der Wolf war im Übrigen das erste Haustier des Menschen und ist bis heute der einzige große Fleischfresser geblieben, der je domestiziert wurde. Später kamen nur noch zwei kleinere hinzu: die Falbkatze als Vorfahre der heutigen Katzen und eine Unterart des Iltis, aus dem das Frettchen hervorging.5

Die Domestizierung des Wolfes in zwei Phasen

Die Domestizierung des Wolfes kann in zwei Hauptphasen aufgeteilt werden: Zum einen in die bereits beschriebene anfängliche Domestizierung des wilden Wolfs zum Primärhund. Zum anderen in die anschließende Weiterentwicklung dieser ursprünglichen Hunde zu verschiedenen modernen Rassen, wie wir sie heute kennen. An dieser Stelle ist vor allen die erste Phase interessant. Hier haben hochspezifische Verhaltensweisen, die von nomadischen Jäger- und Sammlergesellschaften geschätzt wurden, die anfängliche Entwicklung von Primärhunden zu Beginn der Domestizierung vorangetrieben. 

Wünschenswerte Verhaltensweisen waren damals beispielsweise:

  • das präzise Aufspüren von Beute
  • ein geringes Aggressionspotenzial
  • Zahmheit

Empirisch belegt ist, dass Hunde im Vergleich zu Wölfen bis ins Erwachsenenalter eine extrem hohe Geselligkeit zeigen, die als Hypersozialität bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um eine erhöhte Neigung, soziale Kontakte und feste Bindungen einzugehen. Diese dehnen sich häufig auch auf Angehörige einer anderen Art, den Menschen, aus. Zudem ist nachgewiesen, dass Hunde im in Gegenwart ihrer Bezugsmenschen einen erhöhten Oxytocinspiegel aufweisen.6 Oxytocin gilt als Bindungshormon und wird freigesetzt, wenn Hunde und Menschen soziale Bindungen, Vertrauen und emotionale Nähe aufbauen.

Mit der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und dem Fortschreiten der industriellen Revolution wurden die Anforderungen der Menschen an ihre Hunde immer vielfältiger. Zum einen wurden bestimmte Hunderassen gezüchtet, um aufgrund ihrer unterschiedlichen Verhaltensweisen und Funktionen bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Sie dienten der Unterstützung der Menschen, wie beispielsweise Jagdhunde. Zum anderen wurden andere Hunderassen als klassische Haustiere gezüchtet, um in menschliche Familien integriert zu werden. Heutzutage ist die Vielfalt an Hunderassen denkbar groß: Derzeit gibt es mehr als 400 Hunderassen, die unterschiedliche Verhaltensmerkmale aufweisen.7

Wölfe jagen Beute, aber brauchen Hunde Fleisch?

Als einen entscheidenden Schritt in der Domestizierung des Wolfes zum Hund sieht die Wissenschaft aktuell vor allem das Aufkommen der landwirtschaftlichen Gesellschaften. Damit zusammenhängend passte sich die Ernährung der Hunde an eine stärkehaltige Ernährung an. Es konnte wissenschaftlich belegt werden, dass sich während des Domestikationsprozesses einige Gene, die an der Verdauung beteiligt sind, schneller entwickelt haben. Dieser Umstand lieferte Hinweise darauf, dass sich durch die Domestikationsgeschichte die Ernährung der Hunde verändert hat.7

Archäologische Funde in Sibirien liefern beispielsweise Ergebnisse, dass die früheren Haushunde eine kleinere Körpergröße aufwiesen als die ursprünglichen Wölfe. Wissenschaftlich wird dies unter anderem mit der Domestizierung des Wolfes begründet. Während die Wölfe durchschnittlich über 30 Kilogramm wogen, brachten die damaligen Hunde durchschnittlich nur noch 21,5 Kilogramm auf die Waage. Die geringere Körpergröße dieser Hunde lässt die Forscher unter anderem eine geringere Bisskraft und ein kleineres Jagdgebiet vermuten. Das soll auch Auswirkungen auf ihre Ernährungsweise gehabt haben.

Eine stärkehaltige Ernährung spielt bei der Domestizierung des Wolfes eine entscheidende Rolle.

Hunde als Resteverwerter

Diese Veränderungen könnten dazu beigetragen haben, dass Hunde im Laufe der Zeit ihre Ernährungsweise immer stärker von Menschen abhängig machten. Sie ließen sich in menschlich dominierten Orten nieder und stellten die Jagd im Rudel dadurch ein. Sollten sie dennoch gejagt haben, dann waren es kleinere Beutetiere, die sie alleine töten konnten. Das wiederum ähnelte dem Jagdverhalten von Füchsen, Kojoten und Schakalen und nicht mehr dem der Wölfe.

Die archäologischen Funde zeigten zudem, dass bereits in der frühen Phase der Domestizierung des Wolfes eine signifikante Diversifizierung der Ernährung bei den Primärhunden stattgefunden haben muss. Das könnte ihre heutige große Anpassungsfähigkeit an verschiedene Ernährungsformen erklären. Während Wölfe auf große pflanzenfressende Huftiere spezialisiert waren, unterschied sich die Ernährung der Hunde je nach Region, in der sie in menschlicher Nähe lebten. Hunde in meeresnahen Regionen schienen sich, analog zu den dort lebenden Menschen, hauptsächlich von Meerestieren ernährt zu haben. Hunde in ländlichen Regionen hingegen lebten hauptsächlich von Pflanzen und kleinen Landtieren.8

Der Mensch als natürliche Umgebung des Hundes

Unabhängig davon, wo auf der Welt Hunde lebten, kann der Mensch und seine Umgebung als die natürliche Umgebung des Hundes angesehen werden. Er ist ein wesentlicher Bestandteil der „wahren Natur“ des Hundes und scheint für die Entwicklung des Hundes unabdingbar gewesen zu sein. Es gibt kaum Berichte von Hunden, die ohne menschliche Nähe in freier Wildbahn überlebt haben. Selbst heute noch suchen verwilderte Hunde instinktiv die Nähe menschlicher Siedlungen. Zudem sind keine Fälle bekannt, wo Hunde Rudel bilden und sich ohne menschliches Zutun in der Natur behaupten würden. Daher kann davon ausgegangen werden, dass sie die Fähigkeit, sich im Rudel zu organisieren, weitgehend verloren haben.5

Obwohl sich die Eckzähne bei Hunden und Wölfen ähneln, legen weitere Untersuchungen nahe, dass sie grundlegend unterschiedliche Futtersuchstile aufweisen. Diese Unterschiede machen sich am deutlichsten bei freilaufenden Hunden bemerkbar, die aktuell über 75 Prozent der weltweiten Hundepopulation ausmachen. Auch wenn die Hunde jagen könnten, sind sie in erster Linie einsame Aasfresser. Sie halten sich gerne in der Nähe menschlicher Siedlungen auf und ernähren sich überwiegend und wahllos von menschlichen Abfällen. Genaue Analysen der Ernährung freilaufender Hunde haben ergeben, dass die größten Bestandteile ihrer Ernährung aus Getreide und menschlichem Kot bestehen.

Warum Hunde nicht mehr jagen

Wölfe hingegen werden zwar gelegentlich beim Fressen menschlicher Abfälle beobachtet. Sie gelten aber, im Vergleich zum Hund, als spezialisierte Jäger und jagen oft in Rudeln. Angesichts ihrer schwankenden und oft niedrigen Erfolgsquote, die zwischen zehn und 49 Prozent pro Jagd beträgt, wird davon ausgegangen, dass die Jagd ein außergewöhnliches Maß an Ausdauer und Futtermotivation erfordert.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Auswirkung von Hunger, der die Präferenzmuster sowohl bei Hunden als auch bei Wölfen beeinflussen kann. Hunger ist ein Motivationsfaktor und kann dazu führen, dass Tiere neuartige Lebensmittel konsumieren und sogar ihren Futtersuchstil ändern. Die unterschiedlichen Futtersuchstile von Hunden und Wölfen könnten daher auf durch Hunger hervorgerufene Motivationsänderungen zurückzuführen sein. Das könnte sich auch unterschiedlich auf ihre Präferenz für bestimmte Futterarten auswirken.9 Diese veränderten Nahrungsmuster der Hunde wurde zudem durch die globale Urbanisierung verstärkt. Sie finden aber ihren Ursprung bei den frühen nahrungssuchenden und Nahrungsmittel produzierenden Gesellschaften.8

Der Beginn der Landwirtschaft – Die neolithische Revolution

In der neolithischen Revolution, vor ungefähr 10.000 bis 12.000 Jahren, wurden die Menschen sesshaft und begannen sich lokal durch ihre Landwirtschaft zu versorgen. Sie gingen nicht mehr jagen und ernährten sich zunehmend von stärkehaltigen Getreideerzeugnissen, die sie selbst anbauten. Studienergebnisse deuten darauf hin, dass in dieser Zeit die Ernährung in einigen Regionen von pflanzlichen Lebensmitteln dominiert wurde. So wurden beispielsweise Hirse zu einem Grundnahrungsmittel. Die Domestizierung von Tieren wie Schafen, Ziegen und Rindern führte zudem dazu, dass Fleisch regelmäßiger verfügbar wurde. Allerdings dienten diese Nutztiere oft eher der Milchproduktion oder als Arbeitstier als für den Fleischkonsum.

Das änderte auch die Ernährung der domestizierten Hunde enorm, die sich nun vorrangig von stärkehaltigen Essensresten ernährte haben sollen.8 Mit der Zeit spezialisierte sich die Verdauung der Hunde auf diese Lebensmittel, sodass sie in der Lage waren, das stärkespaltende Enzym Amylase zu produzieren. Damit konnten sie Getreide in der Regel gut verdauen. Untersuchungen weisen darauf hin, dass diese genetischen Anpassungen, die es den Hunden ermöglichen, mit einer stärkereichen Ernährung im Vergleich zur proteinbasierten Wolfsnahrung zu gedeihen, einen entscheidenden Schritt bei der Domestizierung des Wolfes darstellten.10

Was bedeutet das in Bezug auf die vegane Fütterung von Hunden?

Hunde vegan zu ernähren ist historisch betrachtet gar nicht so abwegig. Durch ihre Fähigkeit, Stärke gut verdauen zu können, sind sie – im Vergleich zum Wolf – nicht mehr auf eine fleischlastige Fütterung angewiesen. Das zeigt auch die Tatsache, dass es freilebende Hunde vorziehen, sich von menschlichen Abfällen zu ernähren, als jagen zu gehen. Eine fleischlastige Ernährung von Hunden mit ihrer Abstammungsgeschichte zu begründen, ist daher nicht richtig. Betrachten wir den gesamten Prozess der Domestikation des Wolfes hin zu unserem heutigen Haushund wird deutlich: Fleisch muss keine Hauptkomponente in der Ration darstellen und kann sogar ganz weggelassen werden.

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Quellen

  1. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24233726/
  2. https://www.nature.com/articles/s41586-022-04824-9
  3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9216449/
  4. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2013.00868/full
  5. Jung, C. & Pörtl, D. (2016): Tierisch beste Freunde. Stuttgart: Schattauer Verlag. 
  6. https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.1700398
  7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7109016/
  8. https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abo6493
  9. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6157812/
  10. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5061917/

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